Auf einen Tod folgen meist Trauerfeier und Beerdigung.
Durch zwei Wochenenden Wartezeit innerlich ziemlich geschlaucht,
brachte meine Seele dennoch genug Energie auf, um sich vor diesem
Tag haltlos zu fürchten.
Rückblickend muss ich jedoch sagen, dass dieser Tag “heilsam” war.
Denn sehr, sehr viele Menschen hatten meinen Papa nicht vergessen.
Anfangs konnte ich mir nicht annähernd vorstellen, das ganze Prozedere ohne irgendeinen “Ausfall” durchzustehen.
Doch wieder rettete mich der schwarze Humorknopf.
(Der Pfaffe wurde ebenfalls durch meinen schwarzen Humorknopf gerettet….er weiss es allerdings bis heute nicht….- aber das ist ein anderes Thema.)
Die Trauerhalle füllt sich bereits, als ich meinen Blick über den Sarg, der um Abbys selbstgemalte Bilder ergänzt wurde und die anderen Dekorationsstücke schweifen lasse. Blumengestecke, Papa’s Bühnentrampklamotten, ein grosses Bild von ihm, Blumenschalen mit Namensschleifen.
An einer Schale, die an prominenter Stelle steht, bleibt mein Blick hängen.
Ich lese die Widmung und die Namen auf der Schleife.
Eine Familie.
Frau, Mann und drei Kinder gedenken in “liebevoller Erinnerung” meinem Papa.
Ich lese die Namen erneut. Ich denke nach.
Ich lese die Namen wieder und wieder- und komme zu dem Schluss:
Ich kenne diese Leute nicht.
Just in diesem Moment beugt sich meine Tante zu mir herüber:”Wönni, kennst Du die Leute auf der mittleren Schale?”
”Nein”, zischle ich, “ich frage mal Mama.”
Ich beuge mich zu meiner Mama, die im Arm meines Bruders lehnt und so wirkt, als sei sie der Welt komplett entrückt.
”Mama, kennst Du die Namen von der mittleren Schale? Wer ist das?”
Leise und geistesabwesend, wie auf Autopilot, schüttelt Mama in Zeitlupe den Kopf und sagt tonlos:”Vielleicht hat er ja doch mal ein aussereheliches Verhältnis gehabt….”
”MAMA!”, rufe ich und möchte schon beinahe lachen.
“Was sagt sie?” zischt meine Tante.
“Nix”, zische ich zurück, “später!”
”Sag es jetzt!”, zischt Hanni.
“Sie sagte “vielleicht hat er ja doch mal ein aussereheliches Verhältnis gehabt”, flüstere ich.
Ein amüsierter Grunzlacher entfährt meiner Tante:”Also, NATI!”
Ich sitze, blicke auf den Sarg, und möchte wild lachend rufen:
”Wisst ihr, welche bekloppten Gespräche man auf einer Beerdigung führen kann? Wisst ihr, dass das Leben und der Tod EINE Sache gemeinsam haben:
Beides ist gespickt mit ABSURDITÄTEN!”
Ist es in diesem Moment gar Hysterie?
Oder doch der schwarze Humorknopf?
Ich weiss es nicht.
Es ist Nachmittag,- die Beerdigung, das Reueessen; – alles liegt hinter uns, als wir erneut zum Grab fahren.
Die Kränze und Blumenschalen bilden ein fröhlich buntes Durcheinander auf der frischaufgeschütteten Erde.
An prominenter Stelle, wieder besagte Schale, das “corpus delicti”.
Eine Theorie in mir erhärtet sich.
Ich sende unserer wundervollen Bestatterin ein Foto der Namensschleife und erkläre, daß wir die Namen beim besten Willen nicht zuordnen können.
Einige Zeit später erhalte ich ihre Nachricht:
“Nicht wundern, wenn die Schale weg ist.
Ein Gärtner hat sie schon gesucht.
Sie hat morgen ihren zweiten Auftritt…”
Unter lautem Gewieher lese ich den anwesenden Familienmitgliedern die Nachricht vor.
“Du, Mama? Wie ich mir schon gedacht habe: Die Schale stand auf der falschen Beerdigung”, sage ich und Tante Hanni und ich brechen erneut in heiteres Gelächter aus.
“Habe nie etwas anderes gedacht”, sagt Mama.
“Klar, Nati”, sagt meine Tante und wir grunzkichern ohne Unterlass.
“Das Durcheinander hätte dem Karli bestimmt gefallen”, sagt Hanni.
“Er hätte einen riesigen, gekalauerten Aufriss daraus gemacht”, sage ich,
“und das für die nächsten 20 Jahre..”
4 Wochen später.
Die Mutter einer Freundin wurde beerdigt.
Die Freundin kannte unsere Beerdigungsgeschichte.
Es erreicht uns folgende Nachricht:
”Hallo,
auf Mama’s Beerdigung habe ich an euch gedacht. Ich habe erstmal alle Schleifen gelesen. Gab aber keine besonderen Vorkommnisse.
LG”
Zugegeben: Ich habe herzhaft gelacht.
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