Als ich noch klein war, zog ich gelegentlich, wenn ich schlecht drauf war, mein Prinzessinnenkleid an.
Es war meine verzauberte Rüstung an der ich Traurigkeit, Angst und Gefühle der Ohnmacht abperlen lassen konnte….meistens zumindest.
Heutzutage ist das mit dem Prinzessinnen Outfit eher schwieriger (Nicht, daß ich es nicht tragen würde…),
Als ich eines Tages mal wieder in meiner Satinrüstung durch die Gegend schwebte und behauptete, daß sie mich vor allem Übel, schlechter Laune und bösen Worten retten könnte, sagte Papa:
„Am besten legst Du dir auch noch ein dickes Fell zu!“
„Aber das passt nicht unter das Prinzessinenkleid“, erwiderte ich schockiert.
Papa lachte laut und in Schreinermanier antwortete er:“Dann zieh’s drüber. Ist besser!“
Meine Mutter erklärte mir schließlich, was man landläufig mit dem Begriff des „dicken Fells“ verband:
„Damit ist gemeint, daß man die Wut, den Ärger, Beschimpfungen von anderen Leuten, oft nicht persönlich nehmen und darüber nicht so schnell traurig oder wütend werden soll. Die Wut und die schlimmen Worte kommen ja VON denen und aus denen raus. Und damit sie sie nicht mehr mit sich herumtragen müssen, werfen sie sie dann auf dich, obwohl das mit Dir gar nichts zu tun hat. Denk dran, wenn jemand dich „Blöde Kuh“ nennt, so meint er eigentlich immer sich…“
Ich weiß noch, daß ich es damals nicht sofort verstand.
Und auch heutzutage vergesse ich es in einer ersten Gefühlsaufwallung eines Streits noch sehr oft.
Es passiert ständig und wird immer wieder geschehen, daß Menschen (man selbst eingeschlossen) einen Grund finden, auf jemand anderen wütend zu sein. Ob nun berechtigt oder unberechtigt, ist dabei noch nicht einmal von Bedeutung.
Von Bedeutung ist jedoch, ob sie gewillt sind, Dir eine faire Chance der Verteidigung zu geben, und Dir mitteilen, daß sie verletzt und wütend sind………
Menschen, die aus einem kleinen Wut-Schneeball eine Lawine werden lassen, ohne sich dem angeblichen Verursacher der Wut mitzuteilen;
Menschen, die behaupten, Du hättest sie im Stich gelassen, obwohl sie Dir nicht mitteilten, dass es ihnen schlecht ging.
Menschen, die in ihrer Opfer- bzw. Märtyrerfunktion so verankert sind, daß sie nicht mehr in der Lage sind, wahrzunehmen, daß sie und ihre Haltung die Ursache ihrer Leiden sind.
Solche Menschen verharren in ihrer Opferhaltung und werden dadurch zum Täter.
Solche Menschen sind weder fair sich selbst noch anderen gegenüber, denn wie leicht ließe sich ein kleiner Wutschneeball durch klare Worte schmelzen.
Aber bei einer Lawine, die sich mittlerweile zu einer undurchdringlichen Wand aufgetürmt hat, ist dies oft hoffnungslos.
Also, zieht man als Beschuldigter, (wenn einem die Beziehung wichtig ist), das dicke Fell über sein Prinzessinnenkleid, und kämpft sich mühsam durch die eiskalte Schneelawinenlandschaft eines anderen, um zu sehen, was noch zu retten ist.
Man findet einen erstarrten Menschen, gefangen in einem selbst errichteten Kältegefängnis, der
mit einem anklagend eingefrorenen Zeigefinger auf seine Umwelt zeigt.
Und dann versuchst Du, ihm einen Spiegel vorzuhalten, damit der Finger auf den wahren Verursacher zeigt,
obwohl Du weißt, daß es sinnlos ist, denn eingefrorene Augen und Herzen können die Blickrichtung selten ändern.
Und dann drehst Du dich herum, klopfst Dir den Schnee vom dicken Fell und gehst, ohne Dich noch einmal umzublicken.
Du hast getan, was Du konntest….und der Frost auf deinem dicken Fell taut nun langsam in der Sonne…
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