Ein heutiges Klientengespräch brachte mir die Erinnerung an ein lange vergangenes Ereignis zurück.
Während ich diese Zeilen hier schreibe, grinse ich nostalgisch und ein wenig wehmütig.
In einer milden Sommernacht des Jahres 1998 wurde ich gegen 3 Uhr Nachts
von meiner Mutter mit einem rüden Rütteln und den Worten:”Omma hat angerufen, sie sagt in ihrem Bett liege ein Einbrecher…”, geweckt.
Meine Oma wohnte in direkter Nachbarschaft, so daß man nur über den Hof und um eine Hausecke gehen mußte, um zu ihrer Haustür zu gelangen.
Völlig unter Schock stehend, saß ich aufrecht in meinem Bett:”Ja, und was soll ICH denn jetzt machen?! Schick doch Papa oder Andy! Oder ruft die Polizei!”
“Dein Bruder muß schlafen und Papa hat Omma gerade schon lauthals klargemacht, dass sie nicht mehr alle Latten am Zaun hat und er nicht rüberkommen würde….”
“Warum gehst Du denn nicht rüber?”, fragte ich verwirrt und zitternd.
“Ich traue mich nicht und ich habe Omma ja am Telefon. Kannst Du mal bitte rübergehen?”
Konsterniert saß ich in meinem Adrenalinrausch auf dem Bettrand, seufzte gottergeben, streifte mir zitternd meine Turnschuhe über, ging die Treppe hinunter, griff nach meinem guten alten Baseballschläger und schlich zitternd und das Schlimmste vermutend, ums Haus.
An jeder Ecke hielt ich, den Baseballschläger im Anschlag, inne und spähte zunächst in alle Richtungen, bevor ich weiterlief.
An der Haustür angekommen, drehte ich den Schlüssel so leise wie möglich im Schloss; das Herz schlug mir bis zum Hals, als ich mit erhobenem Baseballschläger, schlotternden Knien und grimmigem Gesichtsausdruck, die Treppe zu Omas Wohnung hinaufstieg.
Dort oben am Fuss der Treppe beugte sich mir eine leuchtendweiße Gestalt entgegen, zerzauste, in alle Windrichtungen abstehende, weiße Haare umkränzten ein verzerrtes Gesicht:”Oh Jott Sei DAnk! Da büsse jo endlich!!
Da lütt eener in mingem Bett und streckt mer de Zung rut!”
“Mein Güte, Omma! Du siehst aus wie Alice Cooper mit weißen Haaren!”(Heutezutage würde ich sagen: GANDALF!!)
“Die Frau kenn isch jar nit. Kannse jetz even mal dohin jonn und den duodschlagen?”
(Zugegeben, eine der merkwürdigsten Fragen, die mir jemals gestellt wurden….)
Ich holte tief Luft, schob das schlotternde greise Alice Cooper (Gandalf) Abbild auf Seite und zischte:”Bleib hinter mir! Der Typ ist reif!”
Mein Herzschlag drohte meinen Schädel zu zersprengen, als ich mit erhobenem Baseballschläger die Küche durchquerte, direkt ins Schlafzimmer stürzte,
dabei mit dem Ellenbogen den Lichtschalter anwarf und auf zwei hoch aufgetürmte Daunenplumeaus starrte, davon eins – das, in dem Oma geschlafen hatte, zurückgeworfen und zerwühlt ; das andere, sauber und ordentlich drapiert, daneben und auf dessen Kopfkissen die Zeitschrift “Frau im Spiegel” und auf dem Titelbild das riesige, breit lächelnde Konterfei von Prinzessin Caroline von Monaco.
Mein Adrenalinspiegel sank daraufhin langsam ab, ernüchtert bat ich Oma ins Schlafzimmer:”Immerhin, dein Einbrecher ist adelig und eine Frau.”
“Watt? Wieso?!”, fragend blickte meine immernoch verstörte Oma um die Ecke.
“Oma, Du hast dich vor der Zeitschrift hier erschreckt. Siehst Du….!”
“Jesses, dat darf do nit wour sinn! Ha nä! Ma wird ja nix mehr jewahr. Komm..kanns röwer jonn….tut ma leed…Ha nä! Ich zitter immer noch!”
“Soll ich wirklich gehen?”
“Joa…ich trink mer sonst noch n Jäjermeister…”
“Prost Oma!”
“Jo. Prost…Joode Nacht!”
Grinsend und immer noch leicht zitternd, ging ich erleichtert ins Nebenhaus.
Dort angekommen drang aus dem elterlichen Schlafzimmer:”Und?! Wer war et?”
“Prinzessin Caroline von Monaco. Hat sich aber entschuldigt und ist dann zurück in ihr Hotel gefahren.”
“Jetzt fängst Du och noch an zu spinnen!”
Danach geschah es noch sehr oft, daß ich des Nachts zu meiner Oma gerufen wurde. Es waren die Vorboten ihrer beginnenden Demenz.
Demenz ist eine tückische Krankheit, und aus eben diesem Grunde, sollte man sich unbedingt an die skurril unterhaltsamen Momente mit der Krankheit erinnern, um herzhaft dem Schmerz des Vergessens ins Gesicht lachen zu können…..
PPS: Was lernen wir noch daraus? Wenn etwas gesagt werden soll, frag einen Mann. Wenn etwas getan werden soll, frag eine Frau. Grins.
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