Lange…sehr lange hat es gedauert, bis man mich dazu bewegen konnte, den Altweibertag in Köln zu verbringen.
Mit Sturmwarnung, Dosenprosecco + Strohhalm und wetterfesten Umhängen im Gepäck, sitze ich jedoch schließlich, zusammen mit Tanja und Hanna, in einem überfüllten Bus Richtung Kölle.
Die Busfahrt wird durch die fröhlichen Gesänge unserer Mitreisenden untermalt, und während Tanja und Hanna entspannt nebeneinander sitzen, wechseln meine Bussitznachbarn entlang der Strecke.
Meine jeweiligen Sitznachbarinnen sind so derartig redselig, daß mir schon um 9:15 Uhr imaginäre Schnitzel an der Wange kleben und ich aus lauter Verzweiflung viel mehr Prosecco getrunken habe als eigentlich klug wäre…..
Am Hauptbahnhof in Kölle angekommen, streben wir Richtung Altstadt.
Mein schwarzer Catsuit ist nicht so extrem winddurchlässig wie erwartet; dafür offenbart er an anderer Stelle unerwartete Schwächen.
„Äh, Wönni, Du hast da ein Loch in der Naht am Popo“, brummt Schneefrau Tanja.
Meine Horrovorstellung schlechthin ist somit eingetreten!
Und der Tag hat noch nicht einmal richtig begonnen! (facepalm)
„Sieht man es sehr stark!!?“
„Nö, ist dein Gürtel drüber!“
Daraufhin trinke ich noch einen Prosecco mit Strohhalm:
“Wird schon….“, denke ich.
Aber, wie es halt so ist,…. wenn man weiß, daß man an exponierter Stelle ein Loch im Anzug mit sich herumträgt, so gibt es die menschliche Neigung an eben genau dieser Stelle herumzuzerren, um diese möglichst zu verbergen….(-was keinesfalls zur Verkleinerung eines Loches beiträgt).
Es kam wie es kommen mußte: als Tanja in der Kneipe eine 5er Truppe Kapuzinermönche, die hinter mir steht, über meinen Kopf hinweg, laut rügt:“Sie weiß, daß sie dort ein Loch hat! Starrt da nicht so drauf!“
und ein verwirrter Mönch daraufhin entschuldigend sagt:“Wir haben ihr wirklich nur auf den Arsch gestarrt! Nicht auf ihr Loch! Wirklich! “, weiß ich, daß ich dringend handeln muß……
An der Theke frage ich nach Nähzeug und bekomme (zu meiner großen Erleichterung!!!) sogar welches ausgehändigt.
Ich begebe mich zum Abort und informiere den Klo-Mann, daß ich mich länger in seinem Refugium aufhalten werde. Und so kommt es, dass ich halbnackt auf einer Toilette im Kölner „Söckchen“ sitze und nach 3 Dosenproseccos, diversen Bieren und bei schummrigem Licht, versuche, einen dünnen Faden durch ein noch kleineres Nadelöhr zu fädeln…….
Dabei stelle ich fest, daß aus dem fingernagelgroßen Loch im Anzug mittlerweile ein verdammt großes Loch geworden ist, ein Loch Ness sozusagen….
20 Minuten, 2 Einfädelaktionen und 200 Flüche später, ist das Loch in meinem Anzug verschlossen.
Als ich vor die Tür trete, kommt mir der Klomann entgegen:“Ich habe mir schon Sorgen gemacht!“
„Danke! Es hat geklappt!“, sage ich und zeige ihm glücklich meinen Hintern.
Er freut sich.
Wieder auf der Feierfläche angekommen, teile ich mein Glück mit sämtlichen anwesenden Personen:“Guckt mal! Mein Loch ist weg!“
Die Mädels, die Mönche und sämtliche Flugbegleiter freuen sich mit mir.
Der Thekenkraft danke ich dafür, daß ihr Nähzeug mir quasi meinen Arsch gerettet hat.
Am späten Nachmittag verlasse ich das Söckchen alleine in Richtung Maritim.
Ich komme keine 30 Meter weit, als mir 3 junge Herren den Weg versperren:
„Hey Catwoman! Gib mir einen Kuss!“
„Nein. So nicht“, sage ich und will weitergehen; doch man hat mich eingekesselt.
Plötzlich ist hinter mir eine Hauswand.
Mir wird mulmig zumute, und ich spüre, daß ich wütend werde.
Ich reisse mich zusammen, denke:“Deeskalieren, Wönni! Nicht ausrasten!!“
Ich küsse einen der jungen Männer auf die Wange, schiebe sie sanft zur Seite, wünsche ihnen noch einen schönen Tag, und wende mich zum Gehen.
„Darf ich deine Brust anfassen?“, fragt der eine.
„NEIN!!“, rufe ich.
Er greift mir schnell und trotzig an die Brust, ich ziehe mein Knie hoch und erwische ihn nur fast und dann sind sie fort.
Fassungslos, schockiert und extrem wütend, laufe ich schnellen Schrittes in Richtung Maritim.
„Sind Frauen für Euch Schlachtvieh, oder was?!“, denke ich.
(In diesem Moment erinnere mich an ein Frauenselbstverteidigungstraining in 2003.
Damals mußte ich mit einem Polizisten eine „ kleine grenzwertige Situation“ nachstellen, um Deeskalation zu üben.
Die Trainer trugen während der Kampfübungen immer einen Körperschutz. Während solcher Trainingseinheiten leider nicht.
Wir spielten also „ Aufeinandertreffen in der Fussgängerzone“.
Der Trainer kam auf mich zu, und während er an mir vorbeiging, schlug er mir mit den Worten „Na, Puppe?“ auf den Hintern.
Wütend fuhr ich herum und brüllte:“Sag mal, Freundchen! Pack ich Dir einfach an die Eier, Du Arschloch?!!“
rannte mit großen Schritten auf ihn zu und langte mit einem beherzten Griff in seinen Schritt, (der dieses Mal nicht geschützt war).
Schmerzerfüllt zuckte er zusammen, und die umstehenden Frauen brachen in heilloses Gelächter aus.
Während ich mich, erschrocken wie ich war, in den nächsten Minuten ununterbrochen bei ihm entschuldigte und zerknirscht neben ihm stand, resümierte sein grinsender Kollege:“Fein. Jetzt haben wir also gesehen, wie man es nicht machen sollte…jetzt versuchen wir es mal mit Deeskalation, Frau Hessenbruch….“)
Diese Begebenheit und noch viele andere, gehen mir durch den Kopf, als ich im winddurchwehten Entrée des Maritims stehe.
Halbwegs deeskalierend und defensiv reagieren und mit seiner Wut auf die dreisten Mistkerle dieser Welt allein bleiben, fühlt sich ätzend an.
Ich will mich nicht als Opfer fühlen.
Ich stelle mir vor, wie ich den 3 jungen Herren mit meiner Stirn das Nasenbein breche und ihnen mit meinen Stiefeln übel mitspiele….
Aber dann entscheide ich, dass ich so nicht denken will, also versuche ich mich abzulenken, als…..
aus dem Nichts plötzlich ein überaus gutaussehender Pirat vor mir steht, der, im Gegensatz zu mir, noch taufrisch wirkt.
„Darf ich Dir etwas sagen?“, fragt er.
Ich nehme zur Kenntnis, daß ich eine Säule im Rücken habe und bringe mich in eine standfestere Abwehrposition:
“Klar“, sage ich.
„Du bist bisher die schönste Frau, die ich hier in Köln gesehen habe!“
„Wahrscheinlich bist Du auch erst gerade aus dem Taxi gestiegen. Aber trotzdem: echt süße Masche! Danke!“
„Ich bin schon sehr lange hier, und ich wollte nur sagen, daß ich Besonderes erkenne, wenn ich Besonderes sehe. Schön von außen und von innen.“
„Ich, äh…ich …meinst Du das Maritim?“
„Nee, nee…ich meine schon Dich. Nimm es einfach hin, daß ein Fremder Dir ein ehrlich gemeintes Kompliment macht, ohne Netz und doppelten Boden. Ich wünsche Dir einen schönen Tag, seltenes Wesen!“, sprachs, verbeugt sich incl. Hutabnahme, küsst mir die Hand und geht.
Sprachlos stehe ich an der Säule im Windkanal, meine Haare stehen in alle Richtungen, meine Maske sitzt schief auf meinem Kopf und mein Lippenstift ist verschmiert, und unwillkürlich kontrolliere ich, ob ich noch alle Besitztümer bei mir trage…..meine Wut ist verraucht….
10 Minuten später trifft meine Lebensretterin Ute mit ihrem Wagen ein, um mich abzuholen.
Als wir über die Rheinuferstrasse fahren, zeigt sich ein Regenbogen am Himmel…..
Nach Rähn kütt Sunnesching.
Wolfgang Horn says
Ein Loch ist da, wo etwas nicht ist.
Das Loch ist ein ewiger Kompagnon des Nicht-Lochs: Loch allein kommt nicht vor, so leid es mir tut. Wäre überall etwas, dann gäbe es kein Loch, aber auch keine Philosophie und erst recht keine Religion, als welche aus dem Loch kommt. Die Maus könnte nicht leben ohne es, der Mensch auch nicht: es ist beider letzte Rettung, wenn sie von der Materie bedrängt werden. Loch ist immer gut.
Wenn der Mensch ›Loch‹ hört, bekommt er Assoziationen: manche denken an Zündloch, manche an Knopfloch und manche an Goebbels.
Das Loch ist der Grundpfeiler dieser Gesellschaftsordnung, und so ist sie auch. Die Arbeiter wohnen in einem finstern, stecken immer eins zurück, und wenn sie aufmucken, zeigt man ihnen, wo der Zimmermann es gelassen hat, sie werden hineingesteckt, und zum Schluß überblicken sie die Reihe dieser Löcher und pfeifen auf dem letzten. In der Ackerstraße ist Geburt Fluch; warum sind diese Kinder auch grade aus diesem gekommen? Ein paar Löcher weiter, und das Assessorexamen wäre ihnen sicher gewesen.
Das Merkwürdigste an einem Loch ist der Rand. Er gehört noch zum Etwas, sieht aberbeständig in das Nichts, eine Grenzwache der Materie. Das Nichts hat keine Grenzwache: während den Molekülen am Rande eines Lochs schwindlig wird, weil sie in das Loch sehen, wird den Molekülen des Lochs … festlig? Dafür gibt es kein Wort. Denn unsre Sprache ist von den Etwas-Leuten gemacht; die Loch-Leute sprechen ihre eigne.
Das Loch ist statisch; Löcher auf Reisen gibt es nicht. Fast nicht.
Löcher, die sich vermählen, werden ein Eines, einer der sonderbarsten Vorgänge unter denen, die sich nicht denken lassen. Trenne die Scheidewand zwischen zwei Löchern: gehört dann der rechte Rand zum linken Loch? oder der linke zum rechten? oder jeder zu sich? oder beide zu beiden? Meine Sorgen möcht ich haben.
Wenn ein Loch zugestopft wird: wo bleibt es dann? Drückt es sich seitwärts in die Materie? oder läuft es zu einem andern Loch, um ihm sein Leid zu klagen – wo bleibt das zugestopfte Loch? Niemand weiß das: unser Wissen hat hier eines.
Wo ein Ding ist, kann kein andres sein. Wo schon ein Loch ist: kann da noch ein andres sein?
Und warum gibt es keine halben Löcher –?
Manche Gegenstände werden durch ein einziges Löchlein entwertet; weil an einer Stelle von ihnen etwas nicht ist, gilt nun das ganze übrige nichts mehr. Beispiele: ein Fahrschein, eine Jungfrau und ein Luftballon.
Das Ding an sich muß noch gesucht werden; das Loch ist schon an sich. Wer mit einem Bein im Loch stäke und mit dem andern bei uns: der allein wäre wahrhaft weise. Doch soll dies noch keinem gelungen sein. Größenwahnsinnige behaupten, das Loch sei etwas Negatives. Das ist nicht richtig: der Mensch ist ein Nicht-Loch, und das Loch ist das Primäre. Lochen Sie nicht; das Loch ist die einzige Vorahnung des Paradieses, die es hienieden gibt. Wenn Sie tot sind, werden Sie erst merken, was leben ist. Verzeihen Sie diesen Abschnitt; ich hatte nur zwischen dem vorigen Stück und dem nächsten ein Loch ausfüllen wollen.
Kaspar Hauser (Kurt Tucholsky)
Die Weltbühne, 17.03.1931, Nr. 11, S. 389,
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Globe Telecom
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Smart Communications
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Sun Cellular