Kürzlich begegnete mir der Spruch “Enttäuschungen machen den Menschen härter”-
im Kontext eher formuliert wie ein positives Erfolgsmantra, (es sei denn, ich überhörte unterschwelligen Sarkasmus.)
Dieser Satz beschäftigte mich eine ganze Weile.
Das erste Gefühl, das er in mir auslöste, war Zorn.
Ein wütender, innerer Widerstand, der durch meine Adern schoß und mein
Blut zum kochen brachte.
(Meine esoterischen Bekannten pflegen folgende Definition der „Enttäuschung“:
“Sei froh über Enttäuschung. Es heißt nichts anderes, als daß eine Täuschung ein Ende hat….”
Für mich ist diese Formulierung eine eher besserwisserische Floskel, die den mühsamen
Prozess der Verarbeitung völlig außer Acht läßt, und die man nur dann benutzen sollte, wenn
der Enttäuschungsvorgang bereits bewältigt wurde.)
Was ich mich fragte, war:
”Haben sämtliche Enttäuschungen meines Lebens mich „härter“ gemacht?
Was heisst überhaupt „härter“?
Inwiefern ist „härter werden“ erstrebenswert?”
(Alltags-Enttäuschungen, z. Bsp: wieder einmal nicht im Lotto gewonnen,
die tollen Schuhe sind in Deiner Größe ausverkauft etc…., mal ausgeklammert.)
Ich spreche von den großen Enttäuschungen.
Die, die Dir ein Loch in den Seelenpelz brennen, Dich von innen mit brennender Säure versengen, Dich in die Sümpfe der Traurigkeit schleudern, die Michael Ende in der „Unendlichen Geschichte“ so treffend beschrieben hat….
Und wer oder was hat die Macht uns so tief zu enttäuschen?
Eigentlich nur die Menschen, die wir lieben,
die, die wir nah an uns heranlassen, denen wir vertrauen…-
Menschen, die uns wichtig sind.
Was macht es mit uns, wenn wir von einem „wichtigen“ Menschen unseres Lebens enttäuscht werden?
Ich kann lediglich sagen, wie es mir in solchen Situationen geht:
Wenn ich mich belogen, verraten, mißachtet oder allein gelassen fühle, so spüre ich diese
Mischung aus Wut und tiefer Traurigkeit.
Im Außen reagiere ich zunächst mit Erstarren und Schweigen.
Es ist so, als schließe sich eine weit geöffnete Tür in meinem Inneren ein wenig.
Unterschwellig hoffe ich dann, daß der Vorfall einmalig war.
Wiederholt sich jedoch das Schema wieder und wieder; -fühle ich mich beispielsweise in prekären Situationen wieder und wieder verlassen und ohne Rückhalt..-so schließt sich die weit geöffnete Tür irgendwann vollständig.
Sie fällt ins Schloß, wird hermetisch abgeriegelt und es bleibt eine Melange aus beißendem
Sarkasmus, Frustration und Resignation zurück, die irgendwann zu gesundem Desinteresse verschmelzen und dazu führen, daß ich die Person, die mich wieder und wieder und wieder enttäuscht hat, nicht mehr respektieren und nicht mehr an mich heranlassen kann.
Man nennt das im Umgangssprachlichen „zumachen, dichtmachen, sich verschließen“.
Oder….Selbstschutz….-
Ist Selbstschutz eine Art des „Härter werdens“?
Wie stelle ich mir einen Menschen vor, den Enttäuschungen hart gemacht haben?
Unabstellbarer Gewohnheitsskepsismus?
Kultiviert er oberflächliches Kalkül, nur, um nicht verletzt zu werden?
Also, abgewichst bis zur Kaltherzigkeit?
Wie sieht es wohl IN einem solchen Menschen aus?
Hermetische Verschlossenheit, ständiges Taktieren, ein reduziertes, „gedrosseltes“ Gefühlsleben,
Kernfrustration durch kultivierte, selektive Wahrnehmung, – auch “Engstirnigkeit” genannt?
Über kurz oder lang:
Antrainierte Abstumpfung und Oberflächlichkeit,
die das Erleben und Zulassen menschlicher Nähe unmöglich machen?
Welchen Wert hat ein Leben ohne „Nähe“?
Ist allgemeines „härter werden durch Enttäuschungen“ also eine Art pervertierter Selbstschutz?
Während ich so nachdenke, stelle ich fest:
Ich möchte nicht, daß Enttäuschungen mich „hart“ werden lassen, –
Vorsichtig: Ja. Hart: Nein.
Härte ist, in diesem Kontext, nichts anderes als die Rüstung/Waffe der Schwachen.
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