Kürzlich hatte ich einen Flashback.
Kennt ihr das? Ein Eindruck, ein Bild aus der Kindheit blitzt im Bruchteil einer Sekunde vor Eurem geistigen Auge auf, nur um dann, genauso schnell, wieder zu verschwinden….-
Ich bin so um die 10 Jahre alt, als meine Nachbarin Sabine und ich auf einer Bank in Buchholzen “picknicken”. Wie Kinder in fast jedem Alter, schubbern wir mit unseren Füssen über den losen Waldboden auf dem die Bank steht.
“Hey Wonne, da ist was komisch! Guck mal!”, sagt Sabine und beugt sich hinunter. Ich stecke mein Brötchen wieder in die Lunchbox, springe von der Bank und gehe in die Hocke.
Orangbraune Metallsplitter liegen in der aufgeschubberten Erde. Mir fällt auf, dass ich eine ca. 5 cm tiefe Kuhle freigeschaufelt habe; eine Kuhle, in der irgendetwas metallisches liegt. Metall, das dort schon sehr lange zu liegen scheint…-
“Komm, wir buddeln weiter!”, brüllt Bine und greift beherzt in die Kuhle.
“Wir müssen vorsichtig sein, nicht, dass wir uns wehtun oder das Ding
kaputt geht”, sage ich zögernd.
“Es ist doch schon total zerfleddert, MENSCH!”, sagt Bine ungehalten.
Wir beide hocken auf dem braunen Boden und stochern vorsichtig mit
zwei kleinen Ästen in der Erde herum.
“Das war mal ne Kiste, oder so…”, sagt Bine aufgeregt.
Vor Aufregung schlägt mir das Herz bis zum Hals während ich konzentriert weiter grabe.
Plötzlich stosse ich auf die nächste Merkwürdigkeit:
“Ey, da ist noch was anderes”, sagte ich und schiebe meinen Stock unter
den verdreckten, länglichen Gegenstand, um ihn zaghaft aus dem Erdboden zu hebeln.
“Das ist…..”, ich halte den Atem an.
“…ne verrostete Gabel”, beendet Sabine den Satz.
“Die sieht aber alt aus”, sage ich.
“Die sieht alt aus, weil sie verrostet ist”, sagt Bine.
“Nee, die Form, die Zinken sind sehr sehr lang und der Griff ist so komisch”, sage ich, während ich elektrisiert weiterstochere und den nächsten Gegenstand finde.
“Das passende Messer!”, sage ich triumphierend, als ich das dreckige
rostige Ding aus dem Boden gekratzt habe.
“Stell Dir mal vor, wenn hier jemand im Krieg sein Besteck vergraben hat, oder nen Schatz, oder so? Oder das ist das Besteck von nem ermordeten Soldaten? Vielleicht finden wir ja seine Überreste, wenn wir weitergraben…?!”, ich habe Gänsehaut und schaue verträumt über den Boden.
“Wonne!! Das ist mal wieder typisch!! Vielleicht ist das auch einfach irgendwas, das irgendjemand hier irgendwann mal verloren hat”, sagt Sabine; aber ich merke, dass es hat sie genauso gepackt hat wie mich.
“Was machen wir jetzt?”, frage ich aufgeregt.
Bine schaut auf ihre rote Micky-Maus Armbanduhr:“ 4 Uhr nachmittags.
Du musst nachhause! Sonst macht Omma Leni Ärger!”
“Mist!”, verzweifelt schaue ich auf die Kuhle vor der Bank,“zuschaufeln ist wohl am besten und dann kommen wir morgen wieder und buddeln weiter.”
“O.k.”, sagt Bine und wir beide schaufeln das Löchlein wieder zu, setzen uns auf unsere Räder und fahren nachhause.
“Der Schatz, der in Schloss Burg liegt, der ist auch in Buchholzen gefunden worden, weisst Du”, sage ich.
“Jaja; Wonne, die Archäälogin. Vielleicht gibts heute bei uns Bratnudeln mit Kepchup”, antwortet Bine.
“Es heisst Archäologin und Ketchup”, korrigiere ich.
“Es heisst auch Klugscheisser”, sagt Bine schnippisch.
Ich weiss noch, dass ich lächeln muss, weil wir Unterhaltungen dieser Art öfter haben.
Messer und Gabel baumeln in einer Plastiktüte von meinem Fahrradlenker.
Wir lassen die Räder bergab rollen und die Sonne scheint und der Wind
bläst mir ins Gesicht und die Welt ist weit offen und voller Abenteuer und
während ich das hier schreibe, ist dieses Gefühl kurzzeitig wieder da.
Ich bin wieder 10 und ALLES, ja wirklich, ALLES IST MÖGLICH………—-
Am darauffolgenden Tag kehrten wir nicht zurück, um den vermuteten
Restschatz auszugraben; und, um ehrlich zu sein, wir haben es nie wieder versucht.
Vielleicht, weil die Vorstellung, dass dieser “Schatz” immer noch dort draussen wartet, VIEL abenteuerlicher und interessanter ist, als ihn WIRKLICH zu finden….———
Werde morgen mal buddeln gehen.
Glaub ich.
Schreibe einen Kommentar