Kürzlich, ich glaube, es war der 1.6., fiel mir auf, dass das Jahr schon beinahe zur Hälfte wieder vorbei ist.
Ich war schockiert. Früher waren die Sommer endlos lang, heute ist es der Winter. Früher schien ein Jahr wie zwei, heute eher wie ein halbes.
Meine Mutter sagte, daß diese Wahrnehmung mit meinem zunehmendem Alter zusammenhängt.
Ich lasse das jetzt einfach mal so stehen.
Habe mich soeben in Bikinihose von hinten gesehen und dachte, ich blicke auf die orangenhautverzierten Reiterhosen meiner Oma….werde wohl nie wieder etwas essen….hm, oder nie wieder in den Spiegel schauen.
Erinnerungsfetzen:
Vergangenes Jahr verbrachten wir unseren Urlaub auf Fuerteventura. Ich liebe die Insel und da meine Tante seit Jahren dort lebt, versuchen wir, dort so oft wie möglich Zeit zu verbringen.
Sobald ich also an unseren Lieblingsstrand komme, reisse ich mir die Klamotten vom Körper und liege nur mit Bikinihöschen bekleidet im Sand.
Weil es schön ist, und weil ich mich dort frei fühle und weil mir egal ist, was die anderen denken. Es wird immer Jemanden geben, der schöner, schlanker, wohlgeformter ist und der keine Dellen am ganzen Körper hat. Im Urlaub kann ich das (die meiste Zeit) akzeptieren.
Eines Nachmittags sitzen wir auf unserer Terrasse, als ein Bekannter sagt:“Also, wenn Du normalerweise versuchst, dich halbwegs gesund zu ernähren und wenn du abends gar nichts bzw. so gut wie keine Kohlehydrate mehr zu Dir nimmst…; dann weiss ich nicht wie DAS (er zeigt auf meine Beine) passieren kann.”
Ich sitze neben ihm und starre ihn fassungslos an.
Der erste Impuls ist loszuheulen und der zweite, ihm mal so richtig in die Fresse zu hauen, doch ich sage:“Es gibt gute Veranlagung und schlechte Veranlagung. Ich denke, in der Steinzeit, wäre ich DIE PARTIE schlechthin gewesen.”
“Tja, aber die Steinzeit ist vorbei”, sagt er kaltschnäuzig.
Bevor ich dem “IchwillBlutsehen!”-gefühl, das in mir hochkocht, nachgebe, schaue ich mir IHN mal genauer an.
Dort sitzt ein Mann, der leichtes Übergewicht hat, der am Hinterkopf immer kahler wird und der am Strand nicht einmal sein Sweatshirt ausgezogen hat.
Er hat Haare auf dem Rücken, die hinten aus seinem Shirtkragen hinausschauen, seine Beine sind käseweiss und er hat mit Mitte 30 bereits die Ausstrahlung eines vom Leben enttäuschten Endfünfzigers…
“Warum haben Männer keine Cellulite?”, ruft er.
“Weil Typen wie Du sonst noch mehr Gründe hätten, Eure eigenen Komplexe mit dem Beleidigen anderer Menschen zu kompensieren…..”, denke ich hasserfüllt, “weils scheiße aussieht..haha,” denke ich und sage dann aber laut: “Evolutionäre Veranlagung.”
“Nä, weils scheiße aussieht!”, schenkelklopft er gröhlend.
Ich gehe ins Haus, und drehe mich vor dem Spiegel.
Ich betrachte die schattenwerfenden Dellen und die mächtigen Oberschenkel, deren Grösse bei einer 2,20m Frau wahrscheinlich absolut o.k. wären.
Aber ich bin 1,63m
Und im übrigen bin ich ziemlich gesund.
Ich gehe zum Kühlschrank, nehme ein eiskaltes Bier heraus,schreite auf die Terrasse und öffne den laut zischenden Verschluss. Lächelnd setze ich es an den Mund, nehme einen großen Schluck und rülpse anschliessend laut.
Mißbilligend schaut der arme Mensch mich an. Mein Mann grinst.
“Ich bin froh, dass ich nicht deine unheilbare Krankheit habe”, sage ich zu dem Bekannten.
“Häh, welche Krankheit?”
“Och nix”, sage ich.
“Sach ma, spinnst du jetzt?! Welche Krankheit?!”
“Nix. War ein Witz”, sage ich.
“Du solltest echt das Bier weglassen”, brummt er wütend und verunsichert.
Die restliche Zeit scheint er auf eine Erklärung zu warten.
Er bekommt keine.
Er hat sie nie bekommen.
Engstirnigkeit ist selten heilbar.
Dann lieber Orangenhaut.
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